Jede 11. Erdbeere stammt aus dem Aargau

    Nach einem optimalen Herbst und einem schwierigen Frühling können die Aargauer Erdbeeren nun gepflückt und genossen werden. Christian Wohler, Leiter Spezialkulturen am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg im Wynental rechnet dieses Jahre mit einer Ernte von 600 Tonnen Erdbeeren. Die Aargauer Erdbeeren werden hauptsächlich für den Frischkonsum angebaut. In diesem Sinn ab aufs Erdbeerfeld!

    (Bilder: zVg) Vor der Haustüre reif geworden: Erdbeeren sind die Lieblingsfrüchte der Aargauerinnen und Aargauer.

    Sommerzeit ist Erdbeerzeit. Was gibt es Köstlicheres als eine frisch gepflückte Erdbeere? Die Süsse des Fruchtzuckers vermischt mit dem chüschtigen Aroma von Sonne und Natur lässt den Gaumen explodieren. Die Erdbeere ist unbestritten die Lieblingsbeere der Aargauerinnen und Aargauer. Sie ist auch die erste einheimische Beere im Jahr, die geerntet werden kann – von Mai bis Oktober. Gemäss Christian Wohler, Leiter Spezialkulturen am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg, liegt der Kanton Aargau mit einer Anbaufläche von 44 Hektaren Erdbeeren gesamtschweizerisch an vierter Stelle nach den Kantonen Bern, Thurgau und Zürich. «Aktuell wächst jede 11. Erdbeere im Aargau», so Wohler. Im Kanton Aargau produzieren 85 Betriebe Beeren. Ein Grosser Teil dieser Betriebe vermarktet die süssen Köstlichkeiten direkt ab Hof und bietet auch Selbstpflückfelder an. «Selbstpflückbetriebe können das Schwergewicht bei der Sortenwahl auf das Aroma legen. Die Kunden schmecken den Unterschied zwischen den Sorten schnell. Etwas weichere Früchte und eine dunkelrote Farbe sind hier keine Nachteile», weiss Wohler. Im Aargau werden über 30 verschiedene Erdbeerensorten mit unterschiedlichen Kultivierungsmethoden und Erntezeitpunkten angebaut.

    Erdbeeren sind äusserst empfindliche Früchte. «Ein Hagelzug oder eine längere Regenperiode, extreme Sonneneinstrahlung oder Frost können den Anteil vermarktbarer Beeren massiv minimieren – insbesondere bei nicht witterungsgeschützten Kulturen», sagt Wohler. Die diffizilen Erdbeeren stellen grosse Herausforderungen an den Anbau und das Kulturmanagement. Besonders Erdbeeren und zum Teil auch Himbeeren sind sehr anfällig für Pilzkrankheiten und empfindlich gegenüber Druckstellen oder Fruchthautverletzungen. Dies erfordert ein vorsichtiges Arbeiten mit den Früchten und die Einhaltung aller Hygienevorschriften. In besonders nassen Jahren wird die Produktion zusätzlich durch das Auftreten von Krankheiten erschwert. Aus diesem Grund produzieren einige Beerenproduzenten einen Teil der Beeren in Folientunnels. «Auf diese Weise können Krankheiten besser kontrolliert werden. So sind die Früchte nicht dem Regen ausgesetzt und durch die etwas höheren Temperaturen können die ersten Früchte früher geerntet werden», erklärt Wohler. Beeren können auch in Substrat gepflanzt werden. Dadurch werden die Pflanzen optimal mit Wasser und Nährstoffen versorgt und Wurzelkrankheiten können so zum grössten Teil ausgemerzt werden.

    Christian Wohler ist Leiter Spezialkulturen am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg und kennt sich bestens mit den Aargauer Erdbeeren aus.

    Eine weitere Herausforderung stellt der Markt mit seinen sehr hohen Anforderungen an die Früchtequalität dar. «Der weltumspannende Warentransport kann immer mal wieder neue Krankheiten und Schädlinge einschleppe. Das erfordert zusätzliche zeitintensive und kostspielige Massnahmen», so Wohler.

    Frühling war eine Herausforderung für die Erdbeeren
    Der Herbst 2018 war ideal für die Entwicklung der Beerenkulturen. «Februar und März waren verhältnismässig warm und trocken, was insbesondere den Erdbeeren einen ordentlichen Schub verlieh», so Wohler. Danach folgte der Kälteeinbruch Mitte April/Anfang Mai, welcher die Entwicklung der Beerenkulturen bremste. Die frostigen Temperaturen bereiteten den Erdbeerproduzenten, vor allem während der Blütezeit, schlaflose Nächte. «Eine einzige Frostnacht reicht aus, um den Grossteil der Ernte zu vernichten – ärgerlich, wenn dies kurz vor dem Saisonstart geschieht. Frostschäden an Blüten und heranwachsenden Beeren sind zwingend zu vermeiden. Deshalb werden die Erdbeerfelder am Abend vor einer Frostnacht mit Vlies abgedeckt», erklärt Wohler. Am Morgen muss das Vlies wieder entfernt werden, um eine Bestäubung durch die Insekten zu ermöglichen. «Dieser Frühling war diesbezüglich eine kräftezehrende Herausforderung für die Erdbeerproduzenten. Dennoch erwarten wir dieses Jahr 600 Tonnen Erdbeeren», sagt Wohler.

    Vor allem für den Frischekonsum
    Damit eine optimale Beerenqualität heranreifen kann, müssen zahlreiche Faktoren positiv zusammenspielen: Grundlage sind immer gesunde und vitale Böden sowie kräftige Jungpflanzen. Ausgewogene Nährstoffe und Wasser für eine kontinuierliche Entwicklung, fleissige Insekten zur Bestäubung, viel Sonne im Frühling aber nicht zu heiss im Sommer – so entfalten die Beeren ein fantastisches Aroma.

    Bei der Ernte erfolgt eine professionelle Pflücke früh am Morgen. Danach folgt eine geschlossene Kühlkette mit möglichst kurzem Weg vom Feld zum Kunden. Die Erdbeeren schmecken am besten frisch gepflückt. Die Beeren werden im Aargau vor allem im Freiland produziert. Dazu Wohler: «Bei den Aargauer Beeren zählt nicht nur der Flächenertrag, vielmehr stehen Aroma und Optik im Vordergrund. Die Aargauer Beeren werden vor allem für den Frischkonsum angebaut und im Kanton Aargau und angrenzenden Regionen zum Verkauf angeboten. Der Direktverkauf ab Hof und das Selbstpflücken haben bei uns Tradition.» Das Quäntchen Glück mit dem Wetter muss der Produzent haben. Aufgrund der Wetterkapriolen und dem Risikomanagement zuliebe wird vermehrt in witterungsgeschützten Anlagen produziert.

    Der pro Kopf Konsum von Erdbeeren liegt in der Schweiz bei knapp drei Kilogramm. Leider ist nur ein Drittel aus heimischer Produktion. «Der Bio-Flächenanteil bei den Erdbeeren beträgt im Aargau aktuell 4.6 Prozent, bei den Strauchbeeren sind es insgesamt 33.7 Prozent. Der Löwenanteil bei den Strauchbeeren machen Aronia und Cassis aus, welche überwiegend für die Verarbeitung produziert werden», sagt Wohler. Dennoch wächst die Nachfrage nach Bio-Beeren. Schweizweit dehnte sich die Gesamtfläche der Bio-Beeren auf aktuell 92 Hektaren aus. Das entspricht einer Verdreifachung im Vergleich zum Jahr 2010. «Die grössten Flächenzunahmen verzeichnen aktuell die Bio-Himbeeren und die Bio-Heidelbeeren. Die zweitgenannte Entwicklung können wir auch im Kanton Aargau bestätigen. Die Bio-Heidelbeerfläche ist im Aargau aktuell grösser als die, welche nach den Richtlinien von Suisse Garantie produziert wird», hält Wohler fest. Übrigens – nebst den Erdbeeren erfreuen sich auch Heidelbeeren und Himbeeren bei den Konsumenten einer steigenden Nachfrage.

    Corinne Remund


    Landwirtschaftliches Zentrum Liebegg

    Das Landwirtschaftliche Zentrum Liebegg ist das Kompetenzzentrum für Landwirtschaft, Hauswirtschaft und Ernährung im Kanton Aargau. Seine Kernaufgaben sind:

    • Berufsbildung
    • Höhere Berufsbildung
    • Weiterbildung /Kurswesen
    • Beratung / Arbeitskreise
    • Beratender Vollzug in den Spezialbereichen

    Das Liebegger Kurswesen umfasst Angebote im Kompetenzbereich Landwirtschaft, Hauswirtschaft und Ernährung. Die rund 200 Kurse richten sich mehrheitlich an Bauernfamilien sowie an Beauftragte der öffentlichen Hand (Gemeinden und Kanton) sowie Verbände (zum Beispiel Umwelt-, Tier- und Naturschutz). Im Schuljahr 2018/19 besuchen rund 400 Lernende die Liebegg. Davon sind rund 190 Agrarpraktiker und Landwirte. Die übrigen Lernenden verteilen sich auf die Bildungsgänge im Bereich der höheren Berufsbildung Landwirtschaft und Bäuerin, der Hauswirtschaft, der Allgemeinbildung für Erwachsene und der Integrationsvorlehre.

    Über 100 Tiere
    Nebst dem Aus- und Weiterbildungsauftrag gehören zu den Aufgaben des Kompetenzzentrums Beratungs- und weitere Dienstleistungen, Wissensgenerierung und Praxisversuche, Mitwirkung bei der Entwicklung von erneuerbaren Energien in der Landwirtschaft, Mitwirkung bei Entwicklungsprojekten im ländlichen Raum, Vollzug in Spezialgebieten sowie die Unterstützung des für die Landwirtschaft massgebenden Gesetzesvollzugs. Auf dem Ausbildungs- und Versuchsbetrieb werden rund 30 Milchkühe, 30 Mutterkühe und 30 Zuchtsauen mit den entsprechenden Aufzuchttieren gehalten. Dem Betrieb ist auch eine rund eine Hektare grosse Obstanlage angegliedert. Hier werden 20 verschiedene Apfelsorten, acht Birnensorten, sechs Zwetschgensorten und sechs Kirschensorten gepflegt und für den Anbau geprüft. Auf den ackerfähigen Flächen finden verschiedene Praxisversuche statt. Weitere Infos: www.liebegg.ch.

    CR

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