Wie soll die Schweiz mit dem Krieg umgehen?


    Kolumne


    Der Ukraine-Krieg ist eine menschliche Tragödie. Die Folgen betreffen auch die Schweiz. Rasche Hilfe und überlegtes Handeln sind gefragt.

    (Bild: zVg) Dr. Adrian Schoop ist Unternehmer und FDP-Grossrat.

    Der von Putin geführte Angriffskrieg gegen die Ukraine ist ein Verbrechen und eine Katastrophe. Er verstösst massiv gegen das Völkerrecht und die territoriale Integrität der Ukraine und führt zu unvorstellbarem menschlichem Leid, zu Tod und Zerstörung. Es muss alles unternommen werden, damit das Blutvergiessen so bald als möglich aufhört.

    In unserer vernetzten Welt sind die Folgen des Kriegs überall zu spüren, auch in der Schweiz. Noch ist nicht absehbar, was noch alles auf uns zukommen wird – wirtschaftlich, politisch oder gar militärisch. Viele Menschen, auch wir Politiker, scheinen überfordert zu sein, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen. Wir sollten uns aber auch in dieser Situation auf unsere bewährten liberalen Werte stützen und die Weitsicht wahren. Das gilt insbesondere auch für den Umgang mit Flüchtlingen aus dem Kriegsgebiet. Folgende Punkte sind zu beachten:

    • Es ist richtig, dass die Schweiz die Flüchtlinge aufnimmt. Die Dimension der Fluchtbewegung in Europa ist einmalig seit dem Zweiten Weltkrieg. Es gehört zur humanitären Tradition der Schweiz, an Leib und Leben Bedrohte zu schützen. Im aktuellen Fall haben wir es mit echten Flüchtlingen zu tun und nicht mit jungen Männern aus Afrika, die als Wirtschaftsflüchtlinge kommen, um in der Schweiz ein besseres Leben zu haben und von unserem ausgebauten Sozialstaat zu profitieren.
    • Kriegsvertriebene fallen nicht per se unter das Asylrecht. Um dennoch rasch helfen zu können, hat die Schweiz erstmals den sogenannten Schutzstatus S aktiviert. Damit können die Vertriebenen unbürokratisch geschützt werden.
    • Viele ukrainische Flüchtlinge kommen bei Privaten unter. Die Solidarität in der Bevölkerung ist enorm. Erinnerungen an den Ungarn-Aufstand 1956 und den Prager Frühling 1968 werden wach. Auch damals wurden die Flüchtlinge aus Osteuropa mit offenen Armen empfangen. Die Politik muss jedoch klären, wie das Zusammenspiel zwischen den privaten Helfern und der öffentlichen Hand aussieht. Dies insbesondere dann, wenn sich abzeichnet, dass die Krise lange andauern wird und die Solidarität irgendwann abnehmen könnte.
    • Die Behörden müssen sicherstellen, dass kein Missbrauch stattfindet. Unter dem Deckmantel des Schutzstatus dürfen keine Migranten aus anderen Ländern eingeschleust werden. Trittbrettfahrer sind abzuweisen. Es gibt bereits jetzt Anzeichen, dass das System missbraucht wird.
    • Der Bundesrat darf sich nicht um die Frage drücken, wie viele Ukraine-Flüchtlinge aufgenommen werden können. Das ist ein politischer Entscheid, der auch klar kommuniziert werden muss.
    • Zu einer vorausschauenden Politik gehört schliesslich, dass Szenarien für das Ende des Kriegs gemacht werden. Wenn der Schutz nicht mehr nötig ist, ist dafür zu sorgen, dass die Menschen in ihre Heimat zurückkehren. Die Schweiz soll sich am Wiederaufbau beteiligen und Hilfe vor Ort leisten, damit die Ukrainerinnen und Ukrainer wieder ein lebenswertes Zuhause finden.

    Glaubwürdigkeit der Neutralität nicht mit Schnellschüssen aufs Spiel setzen
    Neben der Flüchtlingsfrage muss die Schweiz alles unternehmen, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Dabei hat sie meiner Ansicht nach die Trümpfe der Neutralität vorschnell aus der Hand gegeben. Durch die folgsame Übernahme der EU-Sanktionen hat der Bundesrat den diplomatischen Spielraum verengt. Selbstverständlich darf die Schweiz nicht als Ausweichort für europäische Sanktionen dienen. Mit der pauschalen Übernahme der EU-Sanktionen ist es aber schwierig geworden, die guten Dienste als neutrale Vermittlerin anzubieten. Nach der Krim-Annexion verhinderte die Schweiz Umgehungsgeschäfte. Das hatte wirtschaftlich dieselben Folgen, untergrub aber nicht die Glaubwürdigkeit der Neutralität.


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