«Wir haben das beste Publikum der Welt!»

    Die Pferderennen im Schachen haben eine grosse Tradition. Der Aufstieg des Schachens zur Pferdemetropole der Schweiz erfolgte Anfang der 1940er-Jahre. Dieses Jahr feiert der Aargauische Rennverein sein 100-Jahr-Jubiläum. Grund genug, den Aarauturf und die Pferderennen Aarau näher vorzustellen. Jessica Kessler, Geschäftsführerin Aargauischer Rennverein, gibt einen Einblick in den Verein und seine Aktivitäten.

    (Bilder: Fabio Baranzini) Aarau ist zusammen mit der Rennbahn in Maienfeld noch die einzige Rennbahn in der Schweiz, die das legendäre Cross Country anbietet.

    Der Aargauische Rennverein ARV wird 100 Jahre alt. Was bedeutet dieses grosse Jubiläum für den Kanton Aargau sowie Aarau und Umgebung?
    Jessica Kessler: Der ARV gehört erfreulicherweise seit Jahren zu den vom Kanton mitunterstützten AargauTopSport-Anlässen und somit zu den bedeutendsten Sportveranstaltungen im Kanton Aargau. Seit 1947 dürfen wir jährlich den «Grossen Preis des Kantons Aargau» durchführen. Auch von der Stadt Aarau erhält der ARV grosse Unterstützung. Die Renntage im Schachen gehören zu den Höhepunkten im Veranstaltungskalender der Stadt Aarau und tragen zur hohen Lebensqualität und Attraktivität der Stadt bei. Der Zustrom von mehreren Tausend Zuschauer/innen aus dem In- und Ausland und die umfangreiche Berichterstattung lassen erahnen, welch grossen Stellenwert die Pferderennen für den Kanton Aargau und die Stadt Aarau haben.

    Die Geschichte des ARV ist eng verknüpft mit Pionier- und Sportgeist. Was hat den ARV besonders geprägt?
    Der Aufstieg des Schachens zur Pferdemetropole der Schweiz erfolgte Anfang der 1940er-Jahre mit dem Anlegen einer Sandbahn, wo die Kavallerie-Instruktoren mit den jungen Dragonern das Galoppieren trainieren wollten. Eine Sandbahn allein, war man überzeugt, vermochte das reiterliche Können nicht genügend zu fördern. Dank dem Einsatz von Internierten wurde der einfach angelegte Reitplatz während des Zweiten Weltkriegs zur 5-Sterne-Arena erweitert. Der Ausbau veranlasste nämlich den 1923 gegründeten Aargauischen Rennverein, den Schachen zur ersten permanenten Rennbahn der Schweiz auszubauen. Seit Anbeginn lebt der Verein von hoch motivierten und arbeitswilligen Menschen, welche sich mit Herzblut für die Pferderennbahn einsetzten. Der ARV durchlebte in seinem 100-jährigen Bestehen viele Höhen und Tiefen und hat schon so manche Hürde überwunden. Dies gelang vor allem Dank dem Einsatz von unzähligen Personen aus der Bevölkerung, Politik und Wirtschaft, welche an den ARV geglaubt haben.

    Wie präsentiert er sich heute?
    Der Aargauische Rennverein oder Aarauturf, wie wir uns heute nennen, ist weit mehr als nur eine Pferderennbahn. Nebst den vier traditionellen Renntagen wird die Anlage von Frühling bis Herbst vermietet. Durch die wunderschöne Lage und die tolle vielseitige Infrastruktur ist die Pferderennbahn Aarau mittlerweile eine beliebte Location für Anlässe jeder Art. Nebst dem Open Air Kino dürfen wir auch Schauplatz von Konzerten und Musikfestivals sowie diversen Firmenfeste, Familienfeiern, Hochzeiten, Charity Events, OL-Wettkämpfen und Vorträge sein. Der ARV hat einen grossen Schritt gemacht und verbindet nun neue moderne Ideen mit erprobten, traditionellen Methoden. Dieser Mix macht den besonderen Charme des ARV aus.

    Der neue Tribünensprung gefällt den Aktiven.

    Wie ist der ARV finanzielle gebettet?
    Die aktuelle weltpolitische Lage spüren wir gerade bei der Sponsorensuche extrem. Der ARV kann nur Rennen starten, wenn diese verkauft sind, also ein Sponsor dafür gefunden wurde. Erfreulicherweise haben wir sehr treue Partner, welche uns jedes Jahr unterstützen und wofür wir sehr dankbar sind. Wir suchen aber jährlich nach Sponsoren für über 32 Rennen und somit einen Betrag von rund 300’000 Franken. Das ist aktuell wahrlich eine Meisterleistung von unserem Vorstand und den Festangestellten, welche sich mit viel Herzblut und grossem Elan unerschöpflich für die Sponsorensuche einsetzen. Wir sind auch für das Jubiläumsjahr noch immer auf der Suche nach Rennsponsoren. Mit der tollen Infrastruktur und dem breiten Publikum bieten wir eine ideale Plattform für Werbung und einen Gästeanlass.
    Dank der guten Vermietung der Anlage nebst den Renntagen dürfen wir aber insgesamt mit der finanziellen Lage zufrieden sein. Die Einnahmen aus den Fremdvermietungen werden zusammen mit den Mitgliederbeiträgen und der grosszügigen Unterstützung unseres «Göttivereins» Turf Club Aarau vollumfänglich für den Unterhalt der Infrastruktur genutzt.

    Welche Bedeutung hat die Aarauer Rennbahn im Schachen für den nationalen und internationalen Pferdesport?
    Die Pferderennen Aarau erfreuen sich bei den Aktiven an grosser Beliebtheit. Dies nicht zuletzt wegen des aussergewöhnlich begeisterungsfähigen Publikums, welches das Feld bei jedem Tribünendurchgang klatschend anfeuert. Wir sind zusammen mit der Rennbahn in Maienfeld noch die einzige Rennbahn in der Schweiz, die das legendäre Cross Country anbieten und wir dürfen seit Austragungsbeginn Schauplatz der «Meisterschaft der Traber» und des «Grossen Preis der Schweiz», der inoffiziellen Meisterschaft der Hindernispferde sein. Die Hindernisrennen sind für unsere Rennbahn essentiell, seit der Corona-Pandemie hat der Verband aber mit einem Besitzerschwund bei den Hindernispferden zu kämpfen. Der ARV setzt alles daran, den Aktiven eine attraktive, top präparierte Bahn zu präsentieren. Für uns steht das Tierwohl und unfallfreie Renntage an oberster Stelle, deshalb haben wir beispielsweise im 2022 den Tribünensprung ersetzt und in diesem Winter den Bachübersprung erneuert. Wir sind guten Mutes, dass sich die Lage bald erholt und wir wieder mehr Starter in den Hindernisrennen begrüssen dürfen.

    Die vier Renntage sind ein grosser Publikumsmagnet. Wieso ziehen sie trotz dem breitgefächerten Freizeitangebot der heutigen Welt immer noch so viel Volk an?
    Kurz gesagt: Wir haben das beste Publikum der Welt! Die Pferderennen im Schachen haben eine grosse Tradition und gehören bei unseren treuen Besucher/innen fest zur Jahresplanung. Wir legen enorm Wert darauf, dass wir mit unserem Angebot sowohl unseren Sponsoren, wie auch den Familien und den jungen Cliquen gerecht werden. So ermöglichen wir für die jüngsten Renntagsbesucher zum Beispiel einen betreuten Kindergarten und Ponyreiten. Die Rasenfläche bietet Platz für Familien mit Picknickdecken und das vielfältige Streetfood-Angebot von unserem Partner Thommen Gastronomie AG lädt zum Schlemmen ein. An einer der vier verschiedenen Bars trifft man alte Bekannte zum Fachsimpeln oder geniesst einfach das fröhliche Gedränge, während man mit seinem favorisierten Pferd mitfiebert, auf welches man eine Wette platziert hat. In Aarau und auch für die breite Bevölkerung gilt: Man trifft sich im Schachen!

    Was sind die nächsten Projekte des ARV?
    Wir konzentrieren uns zunächst auf unser grosses Jubiläumsjahr. In Zukunft haben wir uns aber zum Ziel gesetzt, dass die Pferderennen wieder mehr Präsenz in den Medien geniessen dürfen. Auch soll ein Besuch im Aarauturf beim jüngeren Publikum wieder «In» sein. So haben wir mit dem Auftritt in den Sozialen Medien schon einen ersten Schritt gemacht und auch schon erste Erfolge erzielt. Allgemein wollen wir die Anlage weiter renovieren, womit wir mit der Sanierung der Toilettenanlagen in diesem Winter schon begonnen haben. Weitere grössere und kleinere Projekte stehen noch an. Es läuft immer etwas bei uns im Schachen.

    Was sind grössten Herausforderungen des ARV auch in Bezug auf die vier Renntage?
    Die schwierige Suche nach Sponsoren ist aktuell die grösste Herausforderung für den ARV. Für gelungene Renntage gibt es allerdings noch viele weitere Aufgaben zu meistern. Die Bodenverhältnisse müssen am Renntag perfekt sein, weshalb wir die Bearbeitungen dem Wetter entsprechend anpassen müssen. Am Renntag selber hoffen wir natürlich auf strahlenden Sonnenschein, was sich sowohl auf die Besucherzahlen und automatisch auch auf den Wettumsatz auswirkt.

    Interview: Corinne Remund


    Jubiläumsprogramm

    Das grosse Highlight des Jahres feiert der ARV mit dem «Festival der Pferde» am Samstag, 19. August 2023. An diesem Tag erhalten die Besucher/innen freien Eintritt und ein attraktives Programm, welches Pferdefreunde und -interessierte begeistern wird. Dieser Tag steht ganz im Zeichen von Horsemanship und der Beziehung zwischen Mensch und Pferd. Es werden über 26 verschiedenen Pferderassen und -sportarten in emotionalen Bildern auf der Rennbahn vorgestellt. Fachberufe werden vorgestellt und diverse Aussteller laden zum Stöbern ein.

    Die traditionellen vier Renntage bieten ebenfalls ein abwechslungsreiches Programm. So wird am Muttertagsrenntag vom 14. Mai mit einem «Rennbahnzmorge und Livemusik» in die Rennsaison gestartet. Der zweite Renntag findet am Samstag, 3. Juni statt und soll mit der «After Race Party» am Abend auch jüngeres Publikum an die Renntage locken. Renntagsbesucher haben freien Eintritt zur Party. Am Tag der Meisterschaft der Traber wird mit dem «Ladies Day» den Damen und Herren eine Gelegenheit geboten, ihre schönsten Kleider aus dem Schrank zu holen. Alle Besucher/innen mit Hut erhalten beim Eintritt einen Wettgutschein. Auch der letzte Renntag am 17. September beinhaltet nebst dem «Grossen Preis der Schweiz», dem höchstdotierten Jagdrennen in der Schweiz und mit einem Showprogramm ein tolles Erlebnis. Mit einer Wanderausstellung im City Märt und der Märthalle ist der ARV im Sommer auch in der Stadt präsent.

    CR

    www.aarauturf.ch

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